[dropcap style=”font-size: 60px; color: #9b9b9b;”] V [/dropcap]or Spiel eins der NBA Finals 2013 thront eine Frage über allem: Was ist mit Chris Bosh und Dwyane Wade? Natürlich können im Vorfeld allerhand Matchups analysiert werden, auch Videostudium der Heat und Spurs ist angebracht, um einen Hinweis darauf zu erhalten, wer diese Endspielserie am Ende gewinnt. Am Ende kommt jeder Argumentationsstrang aber unweigerlich auf den Ausgangspunkt jeder seriösen Finals-Analyse zurück: Was bleibt hinter LeBron James von den Big Three übrig?
Der Eine (Wade) hat seit Wochen mysteriöse Knieprobleme (ist es eine Prellung, Verschleiß … niemand außerhalb der Heat-Kabine weiß es), der andere knickte in den Eastern Conference Finals um, blieb aber schon vorher unter den eigenen Möglichkeiten.
Wade schien in der bisherigen Postseason in entscheidenden Momenten irgendwo immer noch ein paar Körner zu finden, um sich dem All-Star-Niveau zumindest anzunähern. Gegen die Bulls lieferte er in Spiel fünf 18 Punkte, fünf Rebounds, sechs Assists, schoss 53,8 Prozent aus dem Feld. In der finalen Partie gegen die Pacers waren es 21, neun, eins und 43,8 Prozent Wurfquote.
Liest sich nicht wie Dwyane Wade in Bestform? Natürlich nicht, aber besser geht es für den Shooting Guard momentan kaum. Zumal er immer wieder krasse Ausfälle zu verzeichnen hat. Das Knie ist kaputt, eine Wunderheilung von Flash nicht in Sicht …
Der Andere (Bosh) hingegen kann nicht auf ein malades Gelenk verweisen, um seine Leistungslöcher in dieser Postseason zu erklären. Klar, da gab es die 20 Punkte und 19 Rebounds gegen die Bulls in Spiel drei. Die 16 und 14 gegen die Bucks in der dritten Begegnung. Aber … letzteres waren eben die „bereits Mentalurlauber“ der Bucks.
Neben diesen beiden Ausreißern griff in den 14 anderen Playoffspielen 2013 nur ein einziges Mal mehr als sieben Rebounds. Seit vier Partien knackte der Power Forward/Center nicht mehr die magische Zehnpunktemarke.
Natürlich ging es mit Roy Hibbert und David West in den Conference Finals am Brett mitnichten gegen Vertreter der Wattebauschfraktion, auch die Bulls von Defensiv-Koryphäe Tom Thibodeau lassen keinen Gegner besser aussehen, als er ist … ein bisschen mehr darf es von einem achtfachen All Star allerdings dann schon sein.
Viele mögen jetzt denken, dass dieses Duo selbst stark eingeschränkt neben LeBron James reichen dürfte. Immerhin sind die Spurs alt, vor allem Manu Ginobili (Playoffs 2013: 11,5 Punkte, 32,4 FG%) spielt bisher eine Postseason zum Vergessen – doch in dieser Rechnung fehlen einige Variablen …
Vor allem Wade spielt defensiv eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wie mobil kann er sein, wenn es um die aggressive Verteidigung am Ball geht – vor allem nach dem Pick-and-Roll? Wird er in der Lage sein, hinten die – so oft nötigen – langen Wege gegen die Passkünstler aus Texas zu gehen, um den Sprungwurf zu stören? Hat er gleichzeitig genug im Tank, um vorne den Angriff zu schmeißen, wenn James seine Ruhepausen bekommt? All das darf stark bezweifelt werden, trifft Wade in der Meisterrunde doch schrecklich aus der Mitteldistanz und auch nur mittelprächtig am Brett:
Kann Bosh auf der anderen Seite offensiv in dieser Serie attackieren? Darf er gegen einen um einiges leichteren Tim Duncan (im Vergleich zu Roy Hibbert) oder Tiago Splitter die eine oder andere Chance am Zonenrand wahrnehmen? Oder lässt Spoelstra den Linkshänder erneut als Stretch-Four, als 2,11 Meter großer Sprungwerfer mit nur 1,1 Offensivrebounds pro Partie (Playoffs 2012: 2,6) agieren? Bosh zieht momentan so wenig Freiwürfe wie noch nie in seiner bisherigen Playoffkarriere.
Natürlich kann auch Smallball zum Erfolg führen, nicht umsonst dominierten die Heat die reguläre Saison. Außerdem trifft Bosh in dieser Postseason bisher seine langen Zwei- und die Dreipunktewürfe:
Auch sind beide Spurs-Big-Men nicht gerade erpicht darauf, nach außen zu driften. Aber … Bosh ist beileibe kein „Volume Shooter“. bedeutet: Er nimmt die freien Würfe, kreiert sie aber nicht selbst. Seine Abschlüsse sind das Produkt der Arbeit anderer – vor allem von LeBron James. Die Spurs werden lieber Bosh einige Jumper nehmen lassen, anstatt bei LBJ keine zwei oder drei Verteidiger in Sichtweite zu parken. Gut möglich, dass Spoelstra Bosh – sollte die Offensive stocken – wirklich mehr Chancen auf dem Highpost oder am Zonenrand gibt.
Liest sich bitter für die Heat? Ja, allerdings sind alle schlechten Zahlen von Wade und Bosh ein wenig mit Vorsicht zu genießen. Immerhin absolvierte Miami sieben Spiele gegen eine historisch gute Defensive Indianas und fünf gegen die Bulls. Genau deshalb wird es so interessant sein zu sehen, wie Spiel eins läuft. Abschließende Antworten kann eine Auftaktpartie zwar nie liefern, Hinweise jedoch sehr wohl.
Die wichtigste Frage zum Ausgang der Finals ist gestellt, die erste Antwort gibt es auf dem Parkett der American Airlines Arena.