NBA Finals 2013: Miamis Lehren aus dem Texas Threeball Massacre

 

[dropcap style=”font-size: 60px; color: #9b9b9b;”] W[/dropcap]ow. W-to-the-O-to-the-W! Selbst nach einer Nacht drüber schlafen mutet das „Texas Threeball Massacre“ aus Spiel drei unwirklich an. Denn es gibt viel mehr zu verdauen als „nur“ die unfassbaren 13/19 Dreier des Duos Gary Neal/Danny Green.

Größter Diskussionspunkt ist natürlich die Leistung von MVP LeBron James in den Finals bisher. Wie kann der beste Spieler der Welt, einer der in der regulären Saison 26,8 Punkte, 7,3 Assists, 8,0 Rebounds, eine Feldwurfquote von 56,5 Prozent sowie 40,6 Prozent von der Dreierlinie auflegte, jetzt auf der größtmöglichen Bühne derartig hinter den eigenen Erwartungen zurückbleiben?

16,7 Zähler, 12,3 Abpraller, 7,3 direkt Korbvorlagen, 38,9 Prozent aus dem Feld plus 23,1 Prozent von der Dreierlinie – so liest sich die Leistung des Kings auf die üblichen Kennzahlen heruntergebrochen.

Was die Statistiken nicht ausdrücken, ist die Unsicherheit, das Zögern, ja die stellenweise Hilflosigkeit, mit der James in diesen Finalspielen bisher agiert. Erinnerungen an 2011 werden wach, sogar an 2007. „LeBron ist heute ein ganz anderer Spieler, er ist ein erwachsener Mann“, hatte Spurs-Coach Gregg Popovich vor der ersten Partie in Miami gesagt. Diese neue, verbesserte Version des MVPs habe wenig bis gar nichts mit dem Youngster zu tun, der vor sechs Jahren ein herbes 0-4 gegen die Texaner kassiert hatte.

Eine Aussage, mit der Popovich zweifelsohne Recht hat. Und trotzdem gelingt es LBJ nicht, dieser Serie seinen Stempel aufzudrücken. Warum?

Natürlich beginnt alles mit der Defensive der Spurs. Wie also spielt San Antonio gegen James, welche Optionen hat er?

Blicken wir zuerst auf die Abschlüsse, die James aus Isolationen heraus nahm:

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Gegen Tim Duncan nimmt er nach, einigen Dribblings auf der Stelle, einen langen Zweier. Warum? Hinter Duncan steht quasi eine 2-2-Zone der Spurs. Bis auf Parker stehen alle Spurs auf lackiertem Parkett, um bei LBJ auszuhelfen. Parker ist der designierte Hilfeverteidiger, der auf einen Distanzschützen raussprinten kann, sollte James zum Korb ziehen und nach draußen ablegen. Außerdem ist die Raumaufteilung der Heat alles andere als optimal. Wade wäre die logische Passstation da er aber nicht werfen kann und nur noch fünf Sekunden auf der Uhr sind …

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Bei dieser Szene dribbelt James den Ball nach vorne und findet sich in einem Mismatch gegen Tiago Splitter wieder. Ray Allen in der Ecke und Mike Miller auf dem rechten Flügel sind jeweils einen Passweg entfernt. Hier hätte James die Möglichkeit, zu penetrieren und zum Beispiel Parker (Millers Verteidiger) zum Aushelfen bei Splitter zu zwingen. Der Franzose hätte in diesem Fall schwerlichst rechtzeitig zu Miller rausrotieren können.

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Hier bekommt James am Ende des Viertels einen Block von Norris Cole und findet sich danach isoliert gegen Danny Green wieder. James nimmt seinen Verteidiger zum Korb und den Sprungwurf aus dem Lauf. Eine nachvollziehbare Entscheidung. Green jedoch verteidigt exzellent, blockt sogar den Schuss seines Gegenübers.

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James bekommt einen indirekten Block gestellt und wird von Chalmers an der Ecke der Freiwurflinie angespielt. Der Wurf ist folgerichtig – Verteidiger Leonard lässt viel Abstand – kommt aber ohne Rhythmus. Anstatt den Ball zu fangen, sich zu drehen und direkt in den Wurf zu gehen, zögert James. Mit Rhythmus ist dieser Wurf leichter, die Defense muss ebenfalls schneller reagieren, was Räume für den Drive schaffen kann.

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Das Pick-and-Roll mit Chris Bosh sorgt dafür, dass Tim Duncan die Bewachung von James übernimmt. LBJ dribbelt ein paar Mal, um die Situation abzuschätzen und Anlauf zu nehmen. Dann setzt er zum Drive an. Als er an Duncan vorbei geht, sind Kawhi Leonard plus Danny Green da, um zu helfen. Der folgende Korbleger ist schwer und geht daneben.

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James bekommt den Ball per Einwurf gegen Danny Green. Die Mitspieler räumen die Seite frei, damit der MVP eins-gegen-eins spielen kann. Anstatt aufzuposten oder den Drive zu wagen, nimmt er den Wurf. Warum? Die anderen Heatles sind zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich in einer guten Offensiv-Rebound-Position und Passempfänger bieten sich bei dieser Raumaufteilung auch nicht an.

Was lässt sich also aus diesen Situationen lesen? LeBron James nimmt seine Abschlüsse ohne den letzten Funken Konsequenz. Er zögert zu lange, um freie Würfe zu nehmen, stellenweise trifft er falsche Entscheidungen: wirft wenn er ziehen müsste oder umgekehrt.

Die Spurs auf der anderen Seite verteidigen ihn auf eine recht simple Art und Weise: Sie lassen ihn Platz für den Sprungwurf, zieht er doch zum Korb, warten dort zwei, drei andere Spurs auf ihn, um den Abschluss dort oder den folgenden Pass schwer zu machen. Liest sich zu simpel? Natürlich gibt es noch einige andere Regeln, die die Spurs am eigenen Korb befolgen – dabei handelt es sich aber vor allem um individuelle Defensivtaktiken (z.B. bei Pick-and-Rolls mit Wade unter dem Block durch gehen und ihm den Wurf gehen).

Fragt sich: Wie können die Heat, wie kann Erik Spoelstra, wie kann James selbst diese Verteidigung San Antonios kontern?

Fangen wir bei James selbst an. Er muss verstehen, dass er nicht mehr werfen muss (es waren ja 21 Schuss in Spiel drei), dafür aber mit mehr Rhythmus und Konsequenz. Bedeutet: Wenn er den Ball fängt, muss er schneller zu einer Entscheidung gelangen – zögert er, gibt er der Defense nur die Chance, sich zu formieren. Wenn ein Scorer beim Fangen des Spaldings weiß, dass er jetzt eine Aktion startet, ist diese viel öfter erfolgreich, als wenn er erst zögert, ein paar Mal dribbelt.

Gleichzeitig sollte Spoelstra dafür sorgen, dass James nicht das Spielgerät nach vorne bringen und dann direkt in eine Aktion starten muss. So wissen die Spurs zu jeder Zeit, wo LBJ ist. Warum nicht verstärkt die Sets laufen, in denen er den Ball früh in der Wurfuhr abgibt, sich im Halbfeld bewegt, sogar den einen oder anderen Block bekommt und in der Bewegung angespielt wird? Letzteres kann am Zonenrand, beim Cut durch die Zone oder auf dem Highpost passieren – von dort ist James überall enorm gefährlich.

Es gilt die alte Regel: Ein bewegliches Ziel, ist schwerer zu treffen …

Und ja: All diese Maßnahmen würden auch Dwyane Wade und Chris Bosh helfen, offensiv Beiträge zu leisten, die auch nur annähernd auch All-Star-Niveau sind …

Außerdem müssen die Heat ihr Spacing viel sorgfältiger managen. Die Spurs wissen genau, wo ihre Kontrahenten den Ball haben wollen und was sie wo damit anfangen können – oder eben nicht. Wird James dazu gezwungen, den Ball abzuspielen, müssen die Empfänger entweder Schützen sein oder direkt einen Dreierspezialisten einen Passweg entfernt haben, um die Bündelung der Verteidigung vor James zu bestrafen. Der Ball muss laufen bei den Heat. Was ein sich schnell bewegendes Leder in einer viel laufenden, doppelnden Defensive für Unheil anrichten kann, haben sie ja am eigenen Leibe erfahren … in Spiel drei.

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Kommentare

Eine Antwort zu „NBA Finals 2013: Miamis Lehren aus dem Texas Threeball Massacre“

  1. Avatar von Boogieblind
    Boogieblind

    Gute Analyse. Sehe ich auch so, allerdings weiss ich nicht ob Lebron viel daran ändern kann. Seit ich Lebron verfolge habe ich bei ihm nur sehr sehr selten “catch & shoot” gesehen (am ehesten noch vom 3er). Normalerweise fängt er den Pass und fängt dann an zu dribbeln, egal ob er einen freien Wurf hat oder nicht. Das gibt der Defense natürlich die Chance sich zu formieren.
    Ein weiteres Hauptproblem ist, dass sich die Spurs mit mehreren Spielern auf LBJ konzentrieren können, da sie Wade kaum verteidigen müssen. Würde von Wade mehr kommen (insbesondere Sprungwürfe aus der Mitteldistanz) müsste sein Verteidiger näher zu ihm aufschliessen.
    Und der Dritte im Bunde (Bosh) muss endlich anfangen wie ein Big Man zu spielen und sich in der Zone aufposten und durchsetzen oder am Zonenrand Sprungwürfe versenken anstatt hinter die 3er Linie auszuweichen.

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