[dropcap style=”font-size: 60px; color: #9b9b9b;”] „M[/dropcap]ust win“ … wenn es zwei Worte gibt, die im Vorfeld der zweiten Partie der NBA Finals 2013 inflationär gebraucht werden, dann diese. Mit Recht.
Es sind sieben Buchstaben, die das vorläufige Resultat einer Entwicklung beschreiben, die in dieser Saison so niemand für möglich gehalten hätte. Aus den Miami Heat, dem Überteam der regulären Saison, dem 27-Siege-in-Folge-Bulldozer ist eine Truppe geworden, die mit dem Rücken zur Wand steht.
Ein 0-2-Rückstand mit drei Begegnungen im AT&T-Center zu San Antonio vor der Brust? Jep, Spiel zwei ist „must win“.
Bei einigen werden jetzt die Protestsynapsen feuern. Immerhin haben die Heat nur ein Spiel verloren, knapp verloren noch dazu. Fällt Tony Parkers Zirkusschuss nicht, verwandelt Chris Bosh einen seiner zwei freien Dreier, dann führt wohl Miami 1-0.
So berechtigt diese Einwände sind, sie würden der tatsächlichen Situation, in der die Miami Heat schon die gesamten Playoffs über stecken, nicht gerecht werden. Das Team von Coach Erik Spoelstra agiert in dieser Postseason nicht mehr wie die Mannschaft, die die NBA zwischenzeitlich nach Belieben zu beherrschen schien.
Von der Leichtigkeit, mit der LeBron James und Co. 2012/13 über lange Phasen agierten, war zum Finals-Auftakt wenig bis gar nichts zu spüren. Miami Basketball, das waren schnelle Passstafetten, zwei, drei Aktionen im Halbfeldangriff, die die Verteidigung derart durcheinander wirbelten, dass fast zwangsläufig ein mittel bis sehr freier Abschluss folgte.
Defensiv entfachten die Heat so viel Druck, dass sich die latente Schwäche bei den Rebounds kaum negativ bemerkbar machte – Miami nahm den Ball dem Gegner einfach ab und rannte ihn per Fastbreak spektakulär in den gegnerischen Korb. Smallball war en vogue in der Association.
Und dann? Dann kam das Ende des Streaks in Chicago gegen die Bulls. Dann kamen die Ruhepausen für die Stars. Dann kamen die Verletzungen. Dann kamen die Playoffs.
Von den letzten acht Spielen, hat Miami vier abgebeben. Zwei dieser Niederlagen setzte es dabei zu Hause. Natürlich sind in den Conference- sowie den NBA-Finals Niederlagen zu erwarten, immerhin wird die Konkurrenz vermeintlich immer stärker. Aber: Diese Heat verlieren nicht nur aufgrund des Gegners, sie schlagen sich selbst, die Mannschaft hat schon vor Wochen ihren Rhythmus verloren.
Gegen die Bucks reichte der Schongang, um zu bestehen. Das Duell mit Chicago war physisch hart, die Bulls aber zu dezimiert, um eine ernsthafte Gefahr zu werden. In den Conference Finals warteten dann die Pacers, deren Erste Fünf vor allem dafür zusammengebaut wurde, um den Smallball der Heat zu kontern – ein brauchbarer Bankspieler, ein ballsicherer Guard mehr und die Finals wären in San Antonio gestartet …
Es kann behauptet werden, dass Miami in dieser Postseason nie wirklich ins Rollen kam. Die Automatismen der regulären Saison, dieser schnörkellose, effiziente, zum Teil wirklich positionslose Basketball war nur in Ansätzen zu sehen. Stattdessen gab es vor allem LeBron James zu sehen. Nicht den LeBron James aus Clevelands Tagen, der in Sachen Scoring in Ermangelung brauchbarer Mitstreiter alles alleine regelt, sondern den LBJ, der für sein Team fast jeden Wurf kreiert, reboundet und auch noch den besten Spieler des Gegners stellen muss.
Der Grund dafür waren vor allem die Verletzungen. Dwyane Wade weiß nach eigener Aussage von Tag zu Tag nicht, wie viel er von seinem lädierten Knie erwarten kann. Ohne einen brauchbaren Sprungwurf im Repertoire ist er aber, auf seine Fähigkeit in der Zone zu finishen angewiesen, um relevant zu sein. Zu oft kann er genau das nicht sein.
Auch Chris Bosh ist angeschlagen. Der Power Forward/Center knickte in der Serie gegen Indiana um und auch wenn die Verletzung keine schwere ist, so darf erwartet werden, dass sie ihn behindert. Vielleicht sucht er auch deshalb nicht mit letzter Konsequenz den Weg in die Zone, weil er dort nicht mit voller Sprungkraft finishen kann?
Ohne zweiten Playmaker und Scorer am Brett verkam die Offensive der Heat hauptsächlich zu „LeBron nutzt einen Block oder postet auf, zieht die Hilfe und die anderen nehmen dann die Würfe“ oder „Wir erzwingen Ballverluste beim Gegner und machen Korbleger“. Es ist ein zu simples Konzept, dass nur funktionieren kann, wenn LeBron James im eigenen Kader steht … und selbst dann nicht mit einer überragenden Quote.
Vor allem aber laugt es selbst einen so physisch überragenden Jahrtausendathleten aus. Das vierte Viertel von Spiel eins lässt sich hier als Paradebeispiel heranziehen. Als James nicht Spielzug auf Spielzug kreieren konnte, stand der Angriff der Heat nicht nur still, sondern auch neben sich.
Genau diese Tatsache fuchste Coach Spoelstra noch am gestrigen Samstag. Dass sein Team im vierten Viertel nicht nur unnötige Ballverluste produzierte, sondern auch im Angriff rumstand, als würde es sich um eine Partie Büromikado handeln, ging dem Innovator gehörig gegen den Strich. Während Gregg Popovich seinem Team am Samstag frei gab, zerrte Coach Spo seine Schützlinge durch eine lange, unangenehme Videosession.
Natürlich weiß auch Erick Spoelstra, wie wichtig Spiel zwei ist. Er weiß allerdings auch, dass sein Team den letzten zehn Niederlagen jeweils einen Sieg folgen ließ.
Was er von seinem Team fordern wird? Offensiv dürfte er auf intelligentere Sets pochen. Auf mehr Bewegung, mehr Aktionen, die die eigentliche erste Angriffsoption verschleiern. Dwyane Wade und Chris Bosh werden mehr Bälle in der Zone bekommen – wenn sie denn früh in der Partie zeigen, dass sie diese auch verwerten können. Auch LeBron James wird mit Sicherheit ebenfalls öfter am Zonenrand zu Werke gehen.
Spoelstra ist indes zuallererst ein Defensivtrainer. Sein Team muss Ballverluste der Spurs forcieren – verlieren die Gegner Miamis weniger als zehnmal den Spalding, gewinnt Miami 2012/13 in nur 50 Prozent der Fälle.
Er dürfte seine Mannen anhalten, Tony Parker nach dem Pick-and-Roll noch schneller und nachhaltiger zu attackieren. Natürlich darf der Franzose nicht über 48 Minuten auf nur eine Weise angegangen werden, aber Ballverluste werden durch Druck erzeugt, davon dürfte es jetzt mehr geben. Auch dürften die Heat versuchen, den Point Guard beim Blocken-und-Abrollen an der Seite zur Grundlinie zu zwingen und nicht in die Mitte zu lassen. Selbiges dürfte für Manu Ginobili gelten.
Und die Spurs? San Antonio muss vor allem die Ruhe bewahren. Das Team weiß, dass die Defense Miamis lange Wege geht. Zwei, drei smarte Pässe nach dem ersten Pick-and-Roll und Miami gibt freie Würfe ab. Diese Pässe allerdings zu spielen, ist einfacher gesagt als getan. Coach Popovich wird peinlich genau darauf achten, dass seine Mannschaft zu jeder Zeit die richtige Raumaufteilung auf den Platz bringt, damit der Ball schnell und frei von allzu großen Gefahren laufen kann.
Defensiv dürfte weitgehend alles beim Alten bleiben. Die Spurs verstehen, was ihre Gegenüber können und was nicht. Beispiel: Bei Dwyane Wade muss niemand Richtung Dreierlinie sprinten, wenn dieser dort den Ball fängt – er trifft eh nicht, wenn er denn überhaupt wirft. Er will zum Korb ziehen, das muss verhindert werden. Bei Shane Battier und Mike Miller aber gilt das Gegenteil: Mit voller Geschwindigkeit auf sie zu rasen, damit sie den Ball dribbeln – zum Korb können und wollen sie nicht ziehen.
Soweit so gut … Wer gewinnt also Spiel zwei? Wahrscheinlich die Miami Heat. Diese Partie ist nun mal ein „Must win“, die Heat spielen zu Hause, die eigenen Schützen werden nicht noch mal so einen Fast-Kollektivausfall haben. Gleichzeitig ist nicht zu erwarten, dass die Spurs abermals nur vier Ballverluste produzieren, dass sie den Fastbreak der Heat komplett wirkungslos machen.
Allerdings gibt es für die Hausherren nicht viel Raum für Fehler. Die Spurs wissen um ihre Chance … Sie können die Serie vorentscheiden … Um 2:00 Uhr geht es los.
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